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Dieses Thema hat 10 Antworten
und wurde 6.283 mal aufgerufen
 ALLGEMEINES CANADIERFORUM
HeikoV Offline




Beiträge: 124

24.01.2020 12:13
Schaftlänge Antworten

Hallo zusammen!

Neulich habe ich mich bei uns im Verein über die Schaftlänge von Paddeln unterhalten, nachdem ich neue Stechpaddel für den Verein angeschafft habe. Ich erhielt reichlich Gegenwind wegen der „zu kurzen“ Paddel. Meinem Einwand, dass kürzere Paddelschäfte gelenkschonender und somit für uns Freizeitpaddler „besser“ seien, wurde heftig widersprochen: längere Schäfte sind besser, sie sorgen für eine bessere Kraftübertragung (Hebel) und seien sportphysiologisch besser als „zu“ kurze Paddel.

In der Diskussion hätte ich gerne mit entsprechendem theoretischen Hintergrund argumentiert, da ich die Erfahrung meiner Paddelkollegen sehr schätze. Zumal sportphysiologisch argumentiert wurde. Und die Diskussionsteilnehmer waren durchaus qualifiziert. (langjährige Kursleiter, Trainer C, ehemalige Trainer B Wildwasserrennsport, ...)

Leider konnte ich nicht so fundiert antworten, wie ich es gerne gewollt hätte.

Könnt Ihr mir anatomisch/“wissenschaftlich“ erklären, warum kürzere Schäfte schonender sind als Schäfte, bei denen die Griffhand auf oder über Stirnhöhe geführt wird? Könnt Ihr mir Quellen nennen, bei denen ich mich schlau lesen kann?

Viele Grüße
Heiko


cb1p111 Offline




Beiträge: 315

24.01.2020 12:38
#2 RE: Schaftlänge Antworten

Punkt 1: sind alle Leute bei euch im Verein gleich groß? Nur dann gibt es ein zu lang oder zu kurz.

Punkt 2: wird es wahrscheinlich keine Studien zu dem Thema geben. Weil ein Canadier schon eine Rand Gruppe im Bereich der Randgruppe Kanu ist.

Punkt 3: sie sollen sich die Schaft Längen bei den amerikanischen Marathon Rennen ansehen, dann weiß man, was bei stundenlanger Nutzung funktioniert, kurz bis sehr kurz... Wobei da 99,9 Prozent sit n switch gefahren wird.
https://www.zre.com/gearcare/paddlesport...izingguide.html

Wildwasser oder Flachwasser Rennsportler sind wie lange mit ihren großen Hebeln unterwegs? 2 bis 5 Minuten? Dann ist das Rennen vorbei.


Jörg Wagner Offline



Beiträge: 1.075

24.01.2020 14:32
#3 RE: Schaftlänge Antworten

Hi, zu dem Thema gibt es viel zu sagen, aber es klingt so, als seien die Fronten in Deinem Verein ein wenig verhärtet, dann macht der reine Austausch von Überzeugungen ( das sind dann für mich aber keine "Argumente", sondern bekenntnishafte Meinungen), noch dazu in der warmen Stube, also fern vom Wasser, wo man das Vorgetragene nicht beweisen kann, wenig Sinn. Trotzdem ein kurzes Statement von mir :"Effizienzfans benutzen aus physikalischen Gründen eher kürzere Paddel, Effektivpaddler (besonders in DKV-Vereinen) eher zu lange Paddel, und sie tun zusätzlich ihrem Körper damit keinen Gefallen. Wäre günstig, wenn die Letztgenannten ein Wenig Ahnung von gewissen newton´schen Gesetzen hätten".
Das muß erstmal genügen
Jörg Wagner


gast Offline



Beiträge: 233

24.01.2020 15:43
#4 RE: Schaftlänge Antworten

Zitat von HeikoV im Beitrag #1
[...] längere Schäfte sind besser, sie sorgen für eine bessere Kraftübertragung (Hebel). [...]

According to John Winters a paddle does not function as a simple lever (Hebel) but as a couple -- the mechanical advantage deriving from the spacing between the hands and not the length of the paddle...

Zitat
und seien sportphysiologisch besser als „zu“ kurze Padde


„zu“ kurz ist natürlich nie gut, aber das gilt auch für „zu“ lang...
Lang genug ist natürlich das beste


HeikoV Offline




Beiträge: 124

24.01.2020 15:45
#5 RE: Schaftlänge Antworten

Nein, die Fronten sind nicht verhärtet sondern wir haben eine gute Streit-/Diskussionskultur. Nicht alle DKV-Paddler sind ahnungslos.

Ohne den alten Newton lief es sowieso nicht. Übrigens redete Archimedes von der langen Stange...

Die Verfechter der längeren Schäfte haben durchaus Recht, wenn es um die Kurz-Wettkämpfe geht. Lange Paddel, breite Schultern, dicke Arme, da kommt auf die kurze Strecke schon die eine oder andere Goldmedaille zusammen. Da hat der DKV sicherlich viel Erfahrung.

Dass Langstreckenrennen mit kurzen und Sprintrennen mit langen Paddeln gewonnen werden ist Fakt, das brauchen wir nicht zu diskutieren.

Ist das dann eine gute Argumentationskette? Paddeltouren gleichen eher Langstreckenrennen, daher ist eine hohe Frequenz sinnvoll (wie beim Fahrradfahren) und dazu brauchen wir kürzere Schäfte.

Aber trotzdem noch mal die Frage vom Anfang: Könnt Ihr mir anatomisch/“wissenschaftlich“ erklären, warum kürzere Schäfte schonender sind?

VG
Heiko


Andreas Schürmann ( gelöscht )
Beiträge:

24.01.2020 17:40
#6 RE: Schaftlänge Antworten

Die Frage kann ja nicht sein sind kürzere oder längere Paddel besser, denn dann kommt zwangsläufig die Frage: "Kürzer oder länger als was?"

Die Frage ist wie finde ich die richtige Paddellänge und wenn man es genau wissen will, warum ist diese Länge richtig.
Und wenn man sich auf die suche begibt stellt man fest, dass auch das "was soll wie" gepaddelt werden eine große Rolle spielt.

500m Sprint oder 50km sind zwei verschiedene Paddel, auch wenn man die Mechanik korrekt berücksichtigt.

Als Analogie Sprinter und Marathonläufer nehmen auch nicht die selben Schuhe.

Nachtrag:
Nach meiner Beobachtung ist dem DKV die Leistung die man ins Wasser kriegt extrem wichtig.1
Dem Touren Paddler ist eher der Anteil der erbrachten Leistung die er ins Wasser bekommt wichtig.2

1. Wenn ich ein Rennen gewinnen will muss ich mehr Leistung als die anderen ins Wasser bekommen, das kann durchaus mit Verschwendung verbunden sein, solange ich mehr ins Wasser bekomme als andere und das den gesammten Wettkampf halten kann.

2. Beim Touren möchte ich mich nicht totrödeln und den Fluss warm rühren und am Abend fix und fertig sein, sondern mit wenig unnötigem Aufwand ans Ziel kommen.
verständlich das es verschiedene Paddel sind.


Tiefwasser Offline




Beiträge: 144

24.01.2020 22:56
#7 RE: Schaftlänge Antworten

Haben die wirklich Hebel gesagt? Der Vorwärtsschlag wird nicht gehebelt (außer beim hierzulande unbekannten Northwoods Stroke). Die Paddelbewegung beim Rennpaddeln ist eindeutig eine Zugbewegung aus dem Latissimus heraus, unterstützt durch Aufrichten des Oberkörpers aus weiter Vorlage (Rückenmuskeln), Oberkörperrotation (schräge Bauchmuskeln) und Armbeugung (Bizeps); aus "Körpersicht" ein halbseitiger Klimmzug. Diese Art der Bewegung erklärt die nötige Griffweite und die dadurch bedingte Paddelschaftlänge.

Das macht der DKV-Wanderpaddler aber so nicht. Erst einmal sitzt oder kniet er niedriger als der Rennpaddler, was bedeutet, dass das Paddel bei gleichem Bewegungsablauf schonmal mindestens fünfzehn Zentimeter kürzer sein müsste als das des Rennpaddlers. Zweitens geht der Wanderpaddler nicht in die weite Vorlage des Sprintpaddlers und setzt das Paddel deswegen wesentlich weiter hinten ein, weswegen er drittens den kräftigsten Muskel in der Muskelkette des Paddelzugs, den latissimus dorsi, gar nicht vollumfänglich zur Wirkung bringen kann. Dies wird oft dadurch "ausgeglichen", dass der Paddelschlag länger durchgezogen wird; das fühlt sich zwar anstrengend and und kann ordentlich spritzen (Heldenpaddeln), bringt aber bekanntermaßen außer Kraftvergeudung gar nichts. Viertens lässt der DKV-Wanderpaddler, warum auch immer, gerne die Oberkörperrotation weg. Vermutung: das zu lange Paddel verhindert eine effektive horizontale Schulterdrehung, weil der erforderliche Widerstand der Griffhand zu weit oben ansetzt, die Kraftlinie läuft nach oben weg anstatt horizontal nach vorne.

Was dann von der ursprünglichen Muskelkette übrig bleibt, ist dann der den Armzug leistende Bizeps. Der typische DKV-Wanderpaddler ist ein arm paddler, mit all den damit verbundenen Nachteilen (der Bizeps ist der schwächste Muskel in dieser Kette). Das ganze ist nicht effizient, noch nicht mal effektiv, und schon gar nicht körperschonend. Es ist kein Wunder, dass es hierzulande so wenig Canadierfahrer gibt. In meinem Kanuverein sind sie nahezu ausgestorben. Ausnahme: Großboote werden gern gefahren. Da tun die eigenen Fehler im wahrsten Sinne des Wortes nicht so weh, und dank ausreichend manpower kommt man eben doch vorwärts (über Zehnercanadier und Drachenboote könnte ich mich in voller Breite auskotzen, aber das sprengt hier den Rahmen).

Anmerkung: es ist kein Zufall, dass bei den einschlägigen Langstreckenrennen (USCA Marathon, Outrigger) wohl fast ausschließlich das kürzere Bentshaftpaddel verwendet wird, das durch seinen Knick die effektive Verlängerung Paddelschlags nach hinten mittels des latissimus dorsi wieder möglich macht.

Nachtrag: Eigentlich müsste man solche Diskussionen auf dem Wasser entscheiden.


raftinthomas Offline




Beiträge: 784

25.01.2020 11:43
#8 RE: Schaftlänge Antworten

Das erinnert mich an eine Diskuusion mit einem ehemaligen Weltmeister und Trainer über Grönlandpaddel beim Seekakjak.
Das Problem ist, dass "diese Leute" aus dem Blickwinkel komplett durchtrainierter und geschulter Paddler unter Wettkampfsituation schauen. Der Otto-Normal-Paddler, auch der amitionierte, paddelt halt nicht ständig mit dem bestmöglichen Schlag, da schleift sich, gerade nach Stunden, auch schlechtere Technik ein (so er überhaupt eine gute hat), ausserdem führen äussere Bedingungen wie Welle und Wind und Boote, die Kompromisse sind zu schleterer Technik.
Wettkampfrelevante Details lassen sich nicht 1:1 in den Freizeitsport übertragen, weil die Bedingungen komplett andere sind.

Insofern eine aussichtlose Diskussion, wenn der Wiederpart dies nicht akzeptiert!

Ansonsten ist glaub ich schon alles geschrieben.

grüsse vom westzipfel, thomas


Kanuvirus Offline




Beiträge: 347

25.01.2020 19:21
#9 RE: Schaftlänge Antworten

N'Abend zusammen,
ich schalte mich mal in die Diskussion ein, weil ich das Thema ja sozusagen Heiko eingebrockt habe.
Es ist bereits viel Wichtiges und Richtiges geschrieben worden. Insbesondere Tiefwasser hat ja die Physiologie sauber dargestellt. Und über Effizient versus Effektivität wurde auch schon gesprochen. Alles Prima!

Der springende Punkt für mich in dieser Diskussion ist folgender: Beim Tourenpaddeln wird die Kraft vom Körper auf das Wasser mittels des Paddels praktisch nur über die Oberkörperrotation übertragen. Und da wird NICHTS, aber auch GARNICHTS gehebelt! Und wo nicht gehebelt wird, spielt die Hebellänge einfach keine Rolle mehr Punkt Ausrufezeichen

Über diese Brücke muss ein DKV-Paddler erst einmal gehen, insbesondere wenn er vom Leistungssport kommt und da ganz andere Dinge trainiert hat. Und da bin ich dann wieder an der gleichen Stelle wie Tiefwasser: Diese Brücke baut man sozusagen auf dem Wasser.

Wenn kein Hebel eine Rolle spielt, woran orientiert sich dann die Schaftlänge? In meinen Augen spielt dann die Ergonomie eine wichtige Rolle, also den Körper beim Paddeln so einsetzen, dass es für ihn keine übermäßigen Belastungen gibt und ausdauernd gepaddelt werden kann (ich denke hier an mehrere Stunden und nicht an 3 Minuten). Da gilt es z.B. Beachtung auf das Schultergelenk zu legen, das umso mehr belastet wird, je höher der Arm agiert und ein sprunghafter Anstieg der Gelenkbelastung auftritt, wenn ich den Arm oberhalb der Schulterebene einsetze.
Ein anderer Punkt ist die gewünschte Paddelführung. Denn diese ist genau dann optimal, wenn das Paddel während der Zugphase senkrecht steht. Und wenn man sich gerade ins Boot kniet (oder setzt) und das Paddel mit gestreckten Armen (nicht durchgedrückt!) in der Zugphase positioniert, wird man feststellen, dass es dann mit der von mir favorisierten Schaftlänge auch senkrecht ist. Bei langen Schäften ist dies nicht mehr der Fall. Usw...

Zum Brückenbauen ein Vorschlag: Tine & und ich kommen mal ein Wochenende zu Euch in den Verein und wir bieten am Samstag Workshops zum Thema Paddelschlag an und machen Sonntag eine gemeinsame Ausfahrt (im Canadier). Die Workshops würde ich dann in der gleichen Manier machen wie Heiko es in Braunschweig erlebt hat. Termin müsste natürlich noch identifiziert werden.

In diesem Sinne wünsche ich Euch allen einen schönen Abend!

Viele Grüße
Ralf

www.meinkanu.de
ACA-Instructor Level 3 Freestyle


MiSchaKu Offline




Beiträge: 202

19.02.2020 13:51
#10 RE: Schaftlänge Antworten

Hallo Zusammen,

mir ist gerade im Netz ein kleines Video über den Weg gelaufen.

Der Sportlich- Wettbewerbsorientierte Teil der Diskussion hier wird darin nochmals ganz anschaulich.


Viele Grüße
Michael

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Kanuschule MiSchaKu

Kanuladen am Bodensee


Kanuvirus Offline




Beiträge: 347

19.02.2020 16:14
#11 RE: Schaftlänge Antworten

Hallo Michael,
danke für das Video. Du hast Recht, der sportliche Aspekt kommt hier gut raus. Man kann aber auch schön erkennen, dass die Arme nur eine kleine Rolle spielen und die Bewegung zum größten Teil aus der Rumpfrotation kommt. Nur am Ende knickt der Schaftarm ein wenig ein.
Grüße
Ralf

www.meinkanu.de
ACA-Instructor Level 3 Freestyle


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