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 Boote: SELF MADE
MrDick Offline




Beiträge: 1.345

07.01.2010 15:46
Das Phantom - Bau eines Urmodels für eine Laminierform Antworten

.

So – nachdem es Nachfragen gab hatte ich es ja versprochen. Nun liefere ich mal einen Teil Infos zu meinem aktuellen Projekt, dem Bau einer Laminierform für meinen 14' Solocanadier.

Irgendwie gibt's Probleme mit den Bildern, deshalb stehen sie am Ende nochmal

Am Anfang steht das Design
Man kann natürlich irgendwo Zeichnungen für ein bewährtes Modell kaufen und diese an die Bedürfnisse einer Laminierform anpassen. Finanziell gesehen lohnt es sich aber kaum eine Form zu bauen, wenn man nur ein oder zwei Boote bauen will, die man schon fertig kaufen kann. Ich wollte mit der Form ein eigenes Design umsetzen. Da geht dann kein Weg am Formenbau vorbei.

Also habe ich mir in den vergangenen zwei Jahren Gedanken gemacht, welche Eigenschaften ich gerne hätte und viel recherchiert wie man diese umsetzen kann. Nach ersten groben Skizzen habe ich mein Design in Freeship zur Berechnung nachgebaut. Anschließend habe ich das ganze nochmal in einem Zeichenprogramm als Konstruktionszeichnung umgesetzt, da man mit Freeship zwar wunderbar rechnen kann, die Präzision der Zeichnungen für den Bau aber kaum ausreicht.

Das Ergebnis ist der Linesplan den man auch vom klassischen Stripperbau her kennt.

Materialentscheidung

Man könnte das Boot erstmal als normalen Holz-Stripper bauen. Der Vorteil ist dass man es direkt ausprobieren kann. Die Anforderungen an ein Modell sind jedoch andere als an ein Boot. Das Modell muss nicht schwimmen, es soll nur die Form möglichst präzise abbilden und außerdem eine möglichst glatte und Lösemittelresistente Oberfläche haben. In der Regel wird es auch nur einmal zum Abformen der Negativform verwendet. Die Strips dienen dabei nur als Unterkonstruktion für die Oberfläche. Holz ist recht teuer und schwer zu verarbeiten, besonders wenn man viele Verwindungen wie bei meinem Shouldered-Flare hat. Also habe ich mich für eine Unterkonstruktion aus Extruderschaumstreifen (XPS) entschieden. Man kann fertige Strips kaufen, die, ähnlich wie die fertigen Holzstrips, Nut und Feder haben. Das habe ich allerdings erst kürzlich entdeckt. Außerdem sind die einiges teurer. Also habe ich im Baustoffhandel XPS-Platten besorgt und diese zu schmalen Streifen mit trapezförmigem Querschnitt zugesägt (Winkel 8 Grad). Diese Platten sind 2 cm dick, weshalb die Konstruktionszeichnung für die Stations entsprechend angepasst werden muss. Das Volumen soll ja gleich bleiben.

Hands on!

In einem Repro-Geschäft lasse ich mir die modifizierten Stations in 1:1 Größe plotten. Aus den Plots schneide ich mir dann Schablonen aus die ich auf Holzplatten übertrage. Wenn man die Rundungen präzise in Holz reproduzieren will, ist eine CNC-Portalfräse die erste Wahl. Weil ich sowas aber nicht habe, und Maschinenstunden bei entsprechenden Dienstleistern ein kleines Vermögen kosten, wähle ich einen handwerklicheren Weg. Nach dem Anzeichnen der Stations säge ich diese mit der Stichsäge grob aus. Anschließend kann man die Kanten mit Tellerschleifer und Banschleifer präzise und winklig auf Maß schleifen. Danach hat man die Stations, die noch mit entsprechenden Montagelöchern versehen werden müssen. Die Löcher bohre ich etwas Größer als den Schraubendurchmesser, um eine Feinjustierung vornehmen zu können. Aus drei gut abgelagerten Kanthölzern habe ich den Strongback gebaut, der die Stations trägt. Man kann auch eine Kastenkonstruktion dafür nehmen um sicher zu zu gehen, dass sich der Stronback nicht verzieht. Bei der Verwendung von XPS-Streifen treten aber nicht so hohe Spannungskräfte auf, wie bei Holz. Deshalb reicht die Balkenkonstruktion aus.
Die Stations werde mit sehr stabilen Stahlwinkeln auf den Strongback montiert und mit dem Linienlaser lotrecht ausgerichtet. Damit die Höhe stimmt habe ich in die Zeichnung der Stations Referenzflächen eingebaut. Nachdem alles ausgerichtet ist, werden alle Verbindungen mit extrastarkem Heißkleber fixiert. Achja – beim Anzeichnen der Abstände immer nur von einer Seite her messen und die Maße aufaddieren, sonst gibt es am Ende große Abweichungen.


Stations ausgerichtet

Ready to strip!
Da auf die Negativform später ein Vakuum angelegt wird habe ich sie mit einem umlaufenden Flansch versehen. Darauf schließt später die Vakuumfolie ab. Diesen Flansch schneide ich mir aus XPS-Platten zu, die mit Heißkleber verbunden und mit Trockenbauschrauben und Spezialunterlegscheiben an die Stations geschraubt werden. Apropos Heißkleber. Nicht jeder eignet sich für das Verkleben von Schaum. Einige enthalten Lösemittel, die den Schaum auflösen. Den richtigen zu finden hat ein Weilchen gedauert, da die Hersteller nichts dazu auf den Packungen angeben. Die „Ultrastrong“ der Firma Steimel gehen ganz gut. Man muss auch darauf achten, dass der Kleber nicht zu heiß wird, sonst brennt er ein Loch in den Schaum. Also rechtzeitig die Klebepistole ausstecken. Auf dem Schaum kühlt der Kleber auch viel langsamer ab, weil der sehr gut isoliert.
Nachdem der Flansch montiert ist werden zunächst die Stevenstreifen aufgeklebt. Dann beginnt das Aufkleben der Strips mit Heißkleber. Bis der Kleber fest ist kann man die Streifen mit Klammern fixieren. Das läuft ähnlich wie bei einem Holzboot, geht nur etwas schneller. Es ist eine gute Idee dabei Baumwollhandschuhe zu tragen. Die XPS-Streifen sind recht scharfkantig und man reibt sich nach kurzer Zeit die Hände auf. Heißkleber auf den Fingern ist auch nicht so angenehm.


Happy stripping

Mit den Strips arbeite ich mich dann von unten nach oben vor. Zum Schluss wird noch der Football zugemacht und der erste Schritt ist getan. Das Stripen geht übrigens mit ca. 2 Tagen recht schnell.


Football wird geschlossen

Runde Ecken
Da kantige Streifen viele Flächen und keine Radien ergeben, wird das Modell erstmal mit einem Exzenterschleifer und grobem Schleifpapier abgerundet. Wichtig ist dabei, dass man nur Erhöhungen (Kanten) abträgt und nicht die Bootsform verändert. Dabei entstehen natürlich spalten zwischen den Streifen. Diese werden jedoch später mit Spachtel aufgefüllt. Beim Schleifen ist es hilfreich immer wieder mit dem Linienlaser zu prüfen, ob die Kurvenverläufe noch sauber sind. Sonst kommt was anderes raus als man gezeichnet hat.

Das große Spachteln!
Mit den Strips hat man nun die Unterkonstruktion für das Modell. Diese muss noch verspachtelt werden. Die Frage nach dem richtigen Spachtel ist nicht ganz einfach und auch eine Preisfrage. Ich verwende für die ersten Aufträge einen Füll- und Flächenspachtel, der wie Gips angerührt wird, einigermaßen gut zu verarbeiten und Preisgünstig ist . Im ersten Auftrag werden nur die Lücken gefüllt. Wenn der Spachtel halb trocken ist kann man größere Überstände gut mit einer Surform-File, einer Art Raspelgitter, entfernen. Nach dem Durchtrocknen schleift man alle Erhöhungen runter. Dann kommt der nächste Durchgang. Mit einem Gummirakel, wie ihn Fliesenleger verwenden lässt sich der Spachtel gut auftragen.


frisch gespachtelt

Nach dem Trocknen ist wieder schleifen angesagt. Mit jedem Auftrag sollte die Oberfläche glatter und genauer werden. Das lässt sich wieder gut mit dem Linienlaser und im Gegenlicht prüfen. Da der Flächenspachtel zur Lunkerbildung neigt verwende ich als letzte Schicht einen Polyesterfeinspachtel. Der ist allerdings nicht ganz billig. Bevor er aufgetragen wird muss die ganze Form gereinigt und nass abgewischt werden. Polyersterspachtel härtet sehr schnell aus. Deshalb sollte man eine geringe Härtermenge verwenden. Allerdings muss noch genug Härter rein, dass man den Spachtel noch gut durchmischen kann. Wenn die Dosis homöopathisch wird, härtet der Spachtel nicht aus. Man muss also in vielen kleinen Ansätzen arbeiten. Polyesterspachtel lässt sich übrigens auf einer Platte besser anrühren als in einem Becher, weil man da leicht Luft unterrühren kann, die wieder zu Lunkern führt. Sobald der Spachtel zäh wird, wegwerfen und neu mischen. Nach dem der Polyesterspachtel durchgehärtet ist kommt der Feinschliff mit Nass-Schleifpapier 320 – 600. Vertiefungen werden mit Polyesterspachtel aufgefüllt und abgezogen. Bei der ganzen Prozedur sollte man immer wieder genau im Gegenlicht prüfen, ob die Oberfläche gleichmäßig ist, sonst schleift man Beulen rein. Zeit hier ist gut investiert. Der gesamte Spachtel- und Schleifprozess dauerte bei diesem Boot umgerechnet auf 8 Stunden-Tage ungefähr 4 Wochen.


nach dem Schleifen

The Finish
Nach dem Spachteln und Schleifen sollte man eine perfekte, matte Oberfläche haben. Diese muss jetzt noch von Staub und Fett gereinigt werden. Dazu verwende ich erst mehrere nasse Lappen und anschließend etwas Aceton. Zuviel davon löst den Spachtel an. Danach kann das Modell mit einem 2-Komponentenlack in mehreren feinen Schichten lackiert werden. Man sollte unbedingt 2-K-Lack verwenden. 1-K-Lacke sind meist nicht lösemittelresistent und machen oft Probleme beim späteren Auftrag des Formenwachses. Das Spritzen eines so großen Modells erfordert viel Erfahrung. Da kann einiges schief gehen, was wieder viel zusätzliche Arbeit und Kosten bedeutet. Das nächste Modell werde ich wohl zum Lackierer geben. Die paar hundert Euro sind gut und nervenschonend investiert.


fertig zum Lackieren

Nach dem Lackieren wird das Modell noch aufpoliert. Dazu muss man unbedingt silikonfreie Polituren verwenden, da es sonst später mit dem Trennmittel Probleme gibt. Ich verwende die Polituren von Rot-Weiß und einen Polierschwamm für den Exzenterschleifer. Die Politur wird anschließen abgewaschen.


poliert und fertig zum Abformen

So – nach dieser ganzen Nummer hat man ein Urmodell, dass für die Abformung vorbereitet werden kann. An den Gedanken, dass es nach der Abformung entsorgt werden kann, werde ich mich wohl nie gewöhnen. Wie es mit der Negativform weiter geht erfahrt Ihr sobald ich wieder etwas Zeit habe, und wenn Ihr artig seid

Liebe Grüße, Sebastian


--"Auf der ganzen Welt ist vielleicht nichts so schön, so rein und zugleich so groß wie ein See. Himmelswasser" (H.D. Thoreau)
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...der will nur spielen!
Für alle die am Bodensee spielen wollen: http://www.freestylecanoeing.org


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