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Dieses Thema hat 6 Antworten
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 ALLGEMEINES CANADIERFORUM
Frank_Moerke Offline




Beiträge: 1.588

02.05.2018 19:44
Denn sie wissen nicht, was sie tun .... Antworten

Denn sie wissen nicht, was sie tun ....

Mal wieder zum Fließwasserkurs in Polen auf der Drawa. Das Wetter ist gut, der Wasserstand hoch, wie selten. Auch die Polen nutzen das schöne Wetter und das lange Wochenende über den 1.Mai.
An unserem 3. Tag befahren wir den Fluss auf einem der schönsten Teilabschnitte. Es gibt Baumhindernisse, es gibt Kehrwasser, auch ein paar gut ziehende Kehrwasser. Und es gibt Paddler in Leihbooten ... Ein Paar steht im Wasser und ist mit der Bergung des gekenterten Kajaks beschäftigt. Ich überschlage schon mal, was wir an trockener Kleidung in der Gruppe dabei haben und paddel zu den beiden rüber. Zwei mal wird meine angebotene Hilfe abgelehnt ... Dann eben nicht!
Die junge Frau läuft jetzt am Ufer entlang weiter, der Mann versucht, sein Kajak durch die Ströung zu steuern. Ich warte grad am nächsten Baumhindernis und lotse die Gruppe an der besten Stelle durch - bin selber erstaunt, wie der Fluß sich verändert hat. 2, 3 recht anspruchvolle Stellen hätte ich so nicht erwartet.

Hinter dem Baumhindernis ist am linken Ufer eine Gruppe Leute beschäftigt, Kajaks zu entleeren, zu bergen usw. ...
Unser nun schon bekannter Kajaker fährt mit tief hängendem Heck ins Baumhindernis, bekommt Wasserdruck auf´s Heck und wird (so wie ich es schon geahnt habe) mit dem Kajak unter die Baumkrone gezogen.
Bange Sekunden ... Die laute Horde am linken Ufer wird sicher kaum mitbekommen, dass der Kenterer unter dem Baum grad um sein Leben kämpft. Schließlich kommt er wieder an die Wasseroberfläche, ein paar Sekunden später taucht auch das Kajak hinter dem Baum wieder auf. Irgendwer zieht das Boot ans Ufer - es sind eh fast alle nass.
Der Kenterer rettet sich ebenfalls ans Ufer.
Die Wassertemperatur beträgt etwa 13 - 15 Grad, bis zum regulären Ausstieg sind es noch 2 - 3 Paddelstunden.
Trockene Ersatzkleidung hat niemand dabei, aber vielleicht helfen ja auch ein paar Bierdosen ...

Ob irgendwer noch mitbekommen hat, dass es für den Paddler ganz eng war? Ein weiterer Ast in der Baumkrone, ein verhaktes Hosenbein am Kajak hätte das Ende sein können ...
Dann wäre 3 m neben mir jemand ertrunken - ich weiß nicht, ob ich unter die Baumkrone getaucht wäre ...


N. A. Offline



Beiträge: 111

03.05.2018 11:18
#2 RE: Denn sie wissen nicht, was sie tun .... Antworten

Hallo Frank
Leider musste ich ähnliche Situation auch schon erleben - glücklicherweise nicht ganz so kritisch.
Ich frage mich, was sich die Leute denken - und die Verleiher (z.T).

Deine Schlussgedanken kann ich sehr gut verstehen!


Mattes71 Offline



Beiträge: 417

03.05.2018 11:59
#3 RE: Denn sie wissen nicht, was sie tun .... Antworten

Betrunkene und Kinder haben einen Schutzengel, sagt man..

Da trifft verstandsmäßig und verhaltensmäßig beides zu, der hat wirklich richtig Glück gehabt. Geholfen hätte ich, aber auf jeden Fall ohne mich selbst in Gefahr zu bringen. Auf jeden Fall hätte ich den anderen Klapskallis gesagt was sie zu tun hätten.

Schlimm nur das du Hilfe angeboten hast und sogar Ersatzkleidung und sie es zweimal ablehnen. Idioten sterben nicht aus, obwohl der es versucht hat.


Wolfgang Hölbling Offline




Beiträge: 3.675

03.05.2018 12:05
#4 RE: Denn sie wissen nicht, was sie tun .... Antworten

Gruselig.

http://www.canoebase.at/
http://www.swiftcanoe.eu/

Wolfgang Hölbling


bollock Offline




Beiträge: 55

03.05.2018 12:12
#5 RE: Denn sie wissen nicht, was sie tun .... Antworten

Nun. Ich will mal von der anderen Seite versuchen etwas beizusteuern.
Als ich 20 war, hatten meine Freunde eine gute Idee. Wie wär es denn mal mit einer Kanutour über Pfingsten. Schnell war die Diemel ausgeguckt, im Anschluss ein Stück die Weser bis Bad Karlshafen.
Es wurden fix irgendwelche 3 Boote zusammengeliehen, einer kaufte Bier, der Andere Bauchfleisch. Zelte ins Boot und ab. Kleidung? BW Stiefel, Lederhose und Wachsjacke (wir Motorradbubis halt)
Uns war das alles völlig egal und wir sind dann über den Fluss gerutscht. Zwischendurch ein Bier, weiter paddeln, einer schlief im Boot, kippte mit uns um. Irgendwie ging es gut, selbst die Weser heben wir überlebt, obwohl ein Freund irgendwann im Halbsuff der Meinung war, aus Spaß das Boot hin und her zu schaukeln.

Zeitsprung: Zwischenzeitlich war ich vernünftiger geworden und habe angefangen, ein wenig mehr mit Köpfchen an die Sache heranzugehen. Heute sage ich, es war auch viel Glück dabei.
Dann Paddelpause. Die Kinder kamen, die Zeit fehlte. Bis sie groß genug waren, dass man sagen konnte: Jetzt fahren wir zusammen. Ich dachte ich konnte es gut genug dafür und wir haben uns dann einen schönen Campingplatz in Dalsland ausgeguckt. Nicht ein einziges Mal hab ich einen Gedanken daran verschwendet, dass Kanadier fahren gefährlich sein könnte.
Warum auch? Überall liest und hört man, wie easy Kanu fahren ist. Dass man wenig Vorkenntnisse benötigt und: DASS ES SICHER IST!
Zum Glück ist es uns dann passiert. Vor dem Urlaub haben meine Frau und ich (noch nie zuvor zusammen in einem Boot gesessen) den Canadier auf die Ems gesetzt und los. Vor einem niedergerissenen Wehr sind wir ausgestiegen und haben und das angeguckt. Ein paar Felsen lungerten im Wasser, es war schön flott, aber links eine gute Durchfahrt.
ICH dachte ich könne das, wir können das... Meiner Frau war unwohl, aber sie hat mir vertraut.
Also ins Boot und das Desaster nahm seinen Lauf. Die Strömung zog uns nach Rechts, wir knallten gegen einen ersten alten Brückenpfeiler und fanden uns dann Quer an einem Felsbrocken wieder, bzw. an Zweien, die nebeneinander lagen und mittig zwischen beiden konzentrierte sich der Fluss. Das Kanu schlug voll, umgekippt, aus die Maus. Hatten wir Glück.
Meine Frau trieb (zum Glück mit Schwimmweste) hinter allem her, was die Flut mitgerissen hat und wir haben tatsächlich alles wieder bekommen.
Ich hatte keine Chance, das Boot auf dem Kurs zu halten, den ich ausgeguckt hatte.

Da war uns klar: SO gehen wir mit den Kindern auf keinen See in Schweden (Kleine Anmerkung: Meine Vorstellung von "See" in Schweden war idyllische Stille, kein Wind, keine Wellen.)

Wir haben uns dann entschieden (nach Rückfrage hier übrigens), einen Kurs zu belegen bei Heinz Götze.
Es war eine Offenbarung. Was wir in drei Tagen gelernt haben, was ich Jahrelang idiotischerweise völlig falsch gemacht habe.
Als wir dann später mit den Mäusen im Boot von Lennartsfors den Foxen hoch paddelten und dann immer mehr Wind und Wellen dazu kamen, haben wir es recht souverän geschafft eine Insel anzusteuern und dort den Sturm abzuwarten (die 3 schönsten Tage des gesamten Urlaubs ;-) ). Wir konnten schon auf dem Wasser abschätzen, was wir bewältigen können und was nicht. Ich bin sehr dankbar, diesen Kurs gemacht zu haben.

Auf unserem Campingplatz residierte ein bekannter Kanuverleiher und auch Gruppen starteten dort. Wir haben alle paar Tage die Einweisungen in der Bucht mitbekommen. An dieser Stelle haben wir uns mehrfach ausgetauscht, dass wir das so nicht mehr machen würden und empfanden die Verleiher bzw. Organisatoren durchaus auch als fahrlässig.

Letztes Jahr ebenfalls. Gleicher Ort, gleiches Szenario (nur, dass wir auf dem Lelang und Västra Silen unterwegs waren). Man begegnet Paddlern mit (keiner) Ausrüstung, die einem Bauchschmerzen bereiten, Paddler ohne (uncoole) Schwimmweste und vor allem: Ohne Skill!
Nicht, dass ich ein guter Paddler wäre, aber das was meine Frau und ich können, konnte von den Meisten niemand. Wir können steuern, wir können die Kehre unter Fahrt, wir können seitlich versetzen, auf der Stelle drehen, anhalten UND abbrechen... Dazu haben wir ordentliche Kleidung, Leinen und Wurfsack, Gepäckmanagement und den ganzen Kram.

Ein Schritt in die Lösung wäre, zuerst mal die Gefahren des Paddelns OHNE Erfahrung zu benennen und nicht abzuwiegeln in Richtung: Alles halb so schlimm. Aber das wäre ja schlecht fürs Geschäft, wenn der Verleiher sagen würde "Sorry, ich gebe Ihnen kein Boot, sie paddeln nicht gut genug"

Mein Plan für die nähere Zukunft ist, mehr auf kleinere Flüsse zu gehen. Ohne eine erneute Schulung mach ich das aber nicht. Pfingsten an der Donau habe ich einen Fließwasserkurs mit Heinz.
Als ich 20 war, hätte ch keinen Gedanken an so etwas verschwendet (Ich habs doch auch überlebt...). Jetzt, 29 Jahre später hat sich das geändert. Gott sei Dank.
In dem Sinne: Man lernt nie aus!


raftinthomas Offline




Beiträge: 784

03.05.2018 12:25
#6 RE: Denn sie wissen nicht, was sie tun .... Antworten

Das ist alles schade.
Meistens versuche ich mich von solchen Gruppen komplett fern zu halten. Es dankt dir nur jemand, wenn du ihn konkret aus einer für ihn erkennbar lebensbedrohlichen Situation raus holst, sonst nicht, im Gegenteil.
Sollen sie halt ersaufen, wenn ich weit genug weg bin trage ich keine Verantwortung.
Das ist alles traurig, ich habe das früher auch anders gehandhabt, aber die Erfahrung hat mich zu diesem Fatalismus geführt (ich kenne übrigens einige Leute, die irgendwann so denken).
Wer jemals erlebt hat, wie schmal der Grat ist, kennt das Gefühl der dumfpen Ohnmacht, die sich breit macht.
Andereseits: Es lebe die Freiheit! Auch die, sich wegen Dummheit in den Tode zu strürzen. Bloß keine Regulierungen a la Paddelführerschein.

grüsse vom westzipfel, thomas


Mattes71 Offline



Beiträge: 417

03.05.2018 14:03
#7 RE: Denn sie wissen nicht, was sie tun .... Antworten

Nun ja auf meinem Heimatfluss, der Lippe, ertrinkt regelmäßig im Abstand von gefühlten fünf Jahren mindestens ein besoffener Insasse eines Bootes (besser nicht das wort Kanu benutzen) immer aus gleichen Grund. Das Wehr ist fahrbar, meist das Doppelwehr in Hamm Heesen. Da ist dann auch nichts mehr zu retten, nur noch zu bergen. Solche Gruppen überhole ich meist ebenfalls oder eben mit Abstand. Gedankt wird einem die Rettung sowieso nicht. Hatte ich vor ein paar Jahren auf der Iller an einer einfachen Stelle. Stein mit kleinem Baumstamm. Paddler ohne Schwimmweste und Helm, Verkantet...Dank gleich null, obwohl er nüchtern war.

Ich selbst habe mal eine Kanutour abgebrochen wegen Hochwasser und schlechter/falscher Ausrüstung und Skills der Mitpaddler. Das war uns einfach zu riskant. Eben weil bei einer Rettungsaktion auch das Leben meiner Mitpaddler in Mitleidenschaft gezogen wird.

Daher danke für den Bericht, Frank, und auch die klare Meinung.


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